Sonntag, 25. November 2012

Das Trauma meines Lebens....

Ich muss darüber schreiben, es drängt mich dazu, nach 54 Lebensjahren bin ich voll dieses Traumas und muss mich innerlich frei machen um selbst ein noch einigermaßen seelisch-geistig stabiles Leben führen zu können. Zu tief sitzen die Verletzungen dieses Traumas und sie wirken bis heute fort, ....wie lange habe ich gebraucht, um diesen Gordischen Knoten zu zerschlagen, wie lange war ich im Würgegriff dieses Traumas, hatte Schuldgefühle...die mein Handeln im Hier und Jetzt maßgeblich mitbeeinflußt haben.
Um mich zu verstehen, damit ich mich verstehe, meine Verletzungen erkennen kann, muss ich weiter ausholen.....
Fangen wir mit der Kindheit meines im März 2009 verstorbenen Vaters an.
Mein Vater wurde 1933 in Schlesien geboren, er war der letztgeborene und hatte noch zwei ältere Schwestern die aus einer anderen Beziehung seiner Mutter stammten. Es waren also seine Stiefschwestern, denn sie hatten zwar eine gemeinsame Mutter, aber keinen gemeinsamen Vater. Der Vater meines Vaters Otto Treutler, geb am 15.10.?, war so viel ich weiß, Kaufmann von Beruf und recht gebildet. Er war Sprößling einer wohlhabenden Bauernfamilie, die in Schlesien ein großes Gut besaßen. Er hatte noch weitere Brüder, und als es um die Erbfolge ging, so ist mir erzählt worden, fühlte er sich zu Gunsten seiner Brüder übergangen, eine Verletzung und Zurücksetzung die er Zeit seines Lebens nie uberwunden hat. Er war Kriegsteilnehmer im 1. Weltkrieg gewesen und hatte eine schwere Kopfverletzung davon getragen, weshalb er eine Metallplatte im Kopf verpflanzt bekommen hatte, da Teile des Schädels so beschädigt wurden, dass sie durch diese Metallplatte ersetzt werden mußten. Was auch immer die Ursache war, so verfiel mein Großvater, den ich übrigens nie kennen gelernt habe, dem Alkohol. Mein Vater erzählte mir, dass sein Vater, wenn er nach Hause kam, meist volltrunken war und keinen Pfennig mehr in der Tasche hatte. Die Mutter meines Vaters mußte also zusehen, wie sie die drei Kinder ohne das Geld ihres Mannes durch bekam. Dieser Umstand führte später zur Trennung der Eltern und so wurde mein Vater an sich ohne Vater groß, ohne ein positives männliches Vorbild in seinem Umfeld in seiner Erziehung zu erleben. Er wuchs durch und mit Frauen auf, zwei ältere Schwestern und seine Mutter. Dies führte zu einer starken Fixierung auf Frauen, sie spielten die zentrale Rolle im Leben meines Vaters, Jungen, so sagte er mal später meiner Mutter, mochte er nicht.
Nach dem Krieg wurde mein Vater, seine Schwestern und seine Mutter vertrieben. Zunächst flohen sie in die Tscheslowakei, später, als die Russen auch hier einmarschierten und die tschechische Bevölkerung den Deutschen auch sehr feindselig gegenüberstand, floh mein Vater mit den Geschwistern und der Mutter wieder in die Heimat. Doch hier waren die Häuser schon von Polen bezogen worden, die ihrerseits von den Russen aus ihrer Heimat an der russischen Grenze vertrieben worden waren, weil die Russen ihrerseits an Interesse daran hatten, ihr Terretorium zu vergrößern....

Diese Entmenschlichung des Krieges, verstärkt durch die Entmenschlichung durch den Nationalsozialismus, denn was wird aus unseren Gefühlen, aus unserem Feinsinn, aus unserer Kreativität wenn Menschen "hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder und flink wie Windhunde" im NS Regime  sein sollten? 
Was bleibt da an Einfühlungsvermögen für die Schwachen, Kranken, Behinderten und/oder aus anderen Gründen nicht so Leistungsfähigen? Für die Anderesdenkenden, Andersfühlenden, anders Leben wollenden...was bleibt da an Einfühlungsvermögen übrig?

Das NS Regime hat nicht nur die damaligen schon lebenden Menschen nachhaltig verändert und beeinflusst, ihnen großen Schaden in ihren Seelen zugefügt, sondern auch den nach dem Krieg geborenen schweren Schaden zugefügt...denn sie wurden von Eltern und Großeltern erzogen und betreut, denen die Werte und Weltanschauungen der Nationalsozialisten beigebracht und eingetrichtert worden waren. 
Die Jetzigen heute geborenen Generationen erholen sich langsam von diesen traumatischen Erfahrungen, weil die Generation ihrer Eltern nicht direkt von der Kriegsgeneration erzogen worden ist.

Krieg führt immer zu Ungerechtigkeiten, Grausamkeiten, Vertreibung, Flucht, Not und Tod....wir können es täglich bis in die heutige Zeit in den Medien verfolgen. Krieg ist die größte Geißel der Menschheit. Zwischen den Nationen. Zwischen den Menschen. Krieg...Streit..ungelöster ist immer Gift....Eine Randbemerkung.

Die Besetzung der Häuser, die feindselige Atmosphäre, die Übergriffe durch die polnische Bevölkerung führten dazu, dass mein Vater mit den Geschwistern und seiner Mutter aus seiner Heimat fliehen mußte..in eine für alle unbekannte Zukunft..eine beschwerliche, lebensbedrohliche Flucht begann...begleitet vom Elend der Flüchtenden, dem Hunger, der Verzweiflung, den Luftangriffen der russischen Flieger, dem Tod der Allgegenwärtig war....
Zunächst flohen mein Vater und seine Geschwister mit der Mutter über die deutsche Grenze...wurden dann in das Grenzdurchgangslager Friedland gebracht.
Hier verbrachten sie ihre erste Zeit nach der Vertreibung. Später wurden dann die Flüchtlinge auf die unterschiedlichsten Gemeinden verteilt, mein Vater kam mit seiner Mutter nach Niedersachsen in die Stadt Dransfeld wo sie bei Landwirten untergebracht wurden.
Die Bevölkerung vor Ort war nicht erfreut über die "Neuankömmlinge" denn es gab kaum etwas zu essen, alles war zerstört durch den Krieg und es gab in der Folge wenig Bereitschaft, das Vorhandene auch noch mit den Flüchtlingen zu teilen. Der Demütigung durch die Vertreibung folgte die nächste Demütigung. Schon früh musste mein Vater mitarbeiten, um die Familie zu ernähren. Er arbeitete als Melker in der Landwirtschaft und im Waldbau als Holzfäller. Alle Wege, morgens in den Wald, zu Fuß, manchmal Kilometerweiter Anmarsch, oftmals ohne etwas gegessen zu haben.
Anfang der 1950er Jahre folgte dann mein Vater seiner älteren Schwester Christa, die in Essen-Bredeney bei wohlhabenden Bürgern eine Tätigkeit als Hausmädchen gefunden hatte, nach Essen.

Dieses Trauma der Armut verfolgte meinen Vater ein Leben lang. Deswegen waren ihm Geld und Unabhängigkeit das Wichtigste in seinem späteren Leben, dem ordnete er alles unter, auch seine Frau und seine Kinder. Er arbeitete viel..auch nebenberuflich..um immer genug Geld zu haben und nie mehr in seinem Leben auf Almosen angewiesen zu sein...oder bitte für etwas essen sagen zu müssen...Es wurden deshalb bei uns auch nie Nahrungsmittel weggeworfen, selbst wenn schon Schimmelbefall sichtbar war. Der sichtbare Schimmel, ob Marmelade oder Brot wurde entfernt und es wurde, musste gegessen werden....auch musste der Teller beim Mittagessen geleert werden, mein Vater saß dabei, es gab Schläge und Prügel, wenn man sich weigerte, so manches mal würgte ich das Essen hinein um es später auf der Toilette zu erbrechen....Das war für mich als Junge sehr schwer..ich liebte meinen Vater...zumal er der einzige auch "Junge" in meiner Familie war, auch ich hatte gleich meinem Vater in seiner Kindheit, nur Frauen um mich herum, drei Schwestern, die nach mir geboren wurden und natürlich meine Mutter. Aber ich hatte auch Angst vor meinem Vater, vor seiner Unbeherschtheit und der rohen Gewalt, die er überall ausübte, auch in der Öffentlichkeit. Ich bin selbst vor Nachbarn verprügelt worden, weil diese mich irrtümlicherweise als Kind des Diebstahls bezichtet hatten, ich hätte ihren Kindern etwas weggenommen hieß es. Mein Vater verprügelte mich an der offenen Wohnungstür, der entsetzte Nachbar mußte meinen Vater stoppen, es sei doch genug sagte er.....
Ja so war das...Ich war ein ungestümes Kind, machte auch viele "Dummheiten,", war verhaltensauffällig, ruhelos, ein Zappelphillipp..sozusagen....so kam es, dass ich oft sofort in Verdacht geriet, wenn irgendwas angestellt worden war....gleich hieß es..das war bestimmt der Randolf.....Aber ich machte diese "Dummheiten" auch, weil mir sehr wenig positive Anerkennung zuteil wurde, als Junge in einer von Mädchen dominierten Familie, der eben anders als brav mit Puppen zu spielen und/ oder Filippchen zu tauschen, war es meine Aufgabe, mich zum Mann zu entwickeln, der sich in der Männerwelt durchsetzt, der klettern kann, rennen, springen, raufen, sich wehrt, durchsetzt, rumexperimeniert....
Im Falle des eben zizierten Nachbarn sei noch hinzugefügt, dass dieser am nächsten Tag mit einer großen Tüte Süssigkeiten die Treppe hinauf kam und sich entschuldigte..es hätte sich heraus gestellt..das ich garnicht der Täter gewesen sei....
Man Vater sagte nur, der Nachbar solle sich in Zukunft überlegen, was er sage,bevor er mich beschuldige, er hätte ja gesehen, wohin das führe....Entschuldigt für die zu Unrecht erhaltenen Prügel hat sich mein Vater bei mir nicht, er hat sich nie für irgend etwas entschuldigt, so bekam ich...vielleicht auch meine Geschwister, schon früh das Gefühl, mit mir könne man machen was man will und man hat nicht mal eine Entschuldigung nötig....Es bleibt ein Gefühl des Ungenügens übrig, des es keinem Recht machen können, ein sich schuldig fühlen, nichts wert zu sein....

Auch dieses Verhalten des sich nicht entschuldigen Könnens für ein Fehlverhalten, für sehr schlimme folgenreiche Fehlverhalten werden in meiner Familie bis auf den heutigen Tag fortgeführt. Keines meiner noch lebenden Familienmitglieder ist dazu fähig, auf ein anderes Familienmitglied zuzugehen und sich zu entschuldigen. Noch nie so lange ich denken kann, hat sich eine meiner Schwestern für ein Fehlverhalten bei mir entschuldigt. Noch nie. Ich habe mich schon entschuldigt. Aber ich habe auch das Verhalten meines Vaters kritisch reflektiert und es nicht einfach übernommen... Lieber spricht und sieht man sich nicht mehr. Bis zum Tode eines der Familienangehörigen, wie zum Beispiel meiner 1988 verstorbene Schwester Sabine. Und ein weiteres Drama meiner Familie ist, dass es für solche Fehlverhaltensweisen Erklärungen gibt, Rechtfertigungen, die es möglich machen, teilweise über jahrzehnte Familienangehörige zu ignorieren.
Um so etwas auf Dauer unbeschadet zu überstehen, nicht durchzudrehen und/oder psychisch Schaden zu nehmen, musste ich viel an mir arbeiten..bis heute..(ich mache seit einem Jahr eine Psychotherapie um mit dem Wahnsinn leben zu lernen..ohne dabei selbst wahnsinnig zu werden).

Die Folge davon war, dass ich mich immer schuldig fühlte, immer ein sogenanntes schlechtes Gewissen hatte, kein Selbstwert besaß....
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Meine Eltern wohnten zunächst nach der Hochzeit in einer sehr kleinen beengten Wohnung. Nach dem Krieg war Wohnraum knapp, Essen hatte unter den Folgen des Krieges besonders zu leiden, denn Essen beherbergte mit der Firma Krupp in Essen die damalige Waffenschmiede des Deutschen Reiches, und die Alliierten wußten, um Deutschland zu schwächen, mußten die Fabriken im Ruhrgebiet zerstört werden, hier wurde alles notwendige zum Krieg führen produziert....So kam es das Essen von Bombenteppichen übersät wurde....
In dieser kleinen Wohnung lebten zunächst meine Eltern, die Mutter meines Vaters, die dieser zu sich geholt hatte, nachdem sich der Gesundheitszustand seiner Mutter dramatisch  verschlechtert hatte. 1958 wurde dann ich geboren, ein Jahr später meine Schwester Sabine....wir wohnten in dieser Wohnung bis November 1962...in sehr beengten und bescheidenen Verhältnissen. Im Jahr 1962 kündigte sich die Geburt meiner Schwester Petra an, was meine Eltern veranlasste, in eine größere Wohnung zu ziehen. In Kray war eine neue Siedlung gebaut worden und dort zogen wir ein. Die Mutter meines Vaters war schon kurz nach meiner Geburt verstorben.
Es war eine 3,5 Raum Wohnung, ein Schlafzimmer, ein Kinderzimmer, ein Wohnzimmer, eine Küche und eine Toilette mit Badewanne. Das hatte zur Folge, dass ich das Kinderzimmer zunächst mit 1 Schwester teilen mußte, Petra schlief nach der Geburt erst im Schlafzimmer der Eltern, später kam sie aber auch in das gemeinsame Kinderzimmer. Im Jahr 1967 wurde dann meine 3. Schwester Ute geboren. Nun mußte ich als fast Neunjähriger bis zu meinem 19. Lebensjahr mir das Kinderzimmer mit 3 Schwestern teilen. Das Zimmer war sehr klein, in ihm standen, als wir ALLE darin schliefen, mehr konnte man in dem kleinen Raum nicht machen, zwei Doppelbetten und zwei Kleiderschränke...Platz zum Spielen gab es nicht...das war mit ein Grund..das sich meine gesamte Kindheit und Jugend draußen,. außerhalb der Wohnung abspielten. Freunde mit nach Hause bringen ging gar nicht,zumal ich mich schämte, weil meine Eltern so streng waren und auch keine Rücksicht darauf nahmen ob Freunde dabei waren oder nicht.

1977 warfen mich meine Eltern hinaus...Grund dafür war meine Suchtmittelabhängigkeit, im Rausch suchte ich die Geborgenheit, die Wärme, das Selbstvertrauen was mir nie zuteil geworden war. Im Rausch suchte ich Schutz vor dieser gewalttätigen Welt, die, so empfand ich es, keine Jungen mag..mich nicht mag....wo Junge sein was schlechtes böses war.....bis dahin wohnte ich in dieser für einen heranwachsenden später pubertierenden Jungen in dieser Situation..nie Raum für mich..das schwarze Schaf der Familie..dominiert durch 3 Schwestern und meiner Mutter und im Stich gelassen vom einzigen Mann der sich mit mir hätte solidarisieren müssen und können, es aber nicht tat und sich dem Druck der Frauen beugte und mich züchtigte....mein Vater....er demütigte mich vor den ersten Frauen in meinem Leben: Meiner Mutter und meinen Schwestern. Sie mussten zusehen, wenn ich Prügel bekam und/oder hörten mein Schreien. Wie sollte ich mich jemals als ebenbürtig gleichwertig in Gegenwart einer Frau fühlen..wie....? Nach so einer Kindheit und Jugend....

Aber Alkohol und Psychopharmaka sind ohnehin das Übel unserer Zeit..oder das Wohl und Wehe...wieviele gibt es..die wirken so cool, so stark, so kalt ....und was steckt dahinter: Alkohol und Drogen und oft Psychopharmaka.Wieviel weniger Bösartigkeiten, Gehässigkeiten, Unmenschlichkeiten würde es geben, wenn die Menschen anstatt sich zu betäuben ihre wahren Gefühle wahrnehmen würden und müssten. Wenn bewußt wahrgenommen werden müsste, was bei anderen Menschen durch ihr Verhalten ausgelöst wird, welchen Schaden sie mit ihrem Verhalten anrichten.



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