Samstag, 11. Februar 2017

Gedanken aus dem Jahr 2007:


Mittwoch, 26.12.2007 16:08 Uhr: Standortbestimmung. "Sei nicht neidisch auf böse Menschen.." , dieser Bibelspruch ist oben zu lesen und fast jeder von uns wird ihm zustimmen. Doch was ist böse? Wir denken zunächst bestimmt an Mörder, Diebe, gewalttätige Menschen, Vergewaltiger, Unterdrücker usw...Doch wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, geht es mir in erster Linie um das subtile, unauffällige, versteckte, alltägliche böse, kleine Gehässigkeiten, Herzlosigkeiten, Kälte und Gleichgültigkeit im Umgang mit Anderen, Egoismus, der keine Rücksichten nimmt, nur die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. Diese unangenehmen Eigenschaften entdecke ich auch in mir, ich bin selbst nicht frei davon und ertappe mich immer wieder dabei, mich in bestimmten Situationen herzlos, gehässig, kalt und gleichgültig zu geben und zu verhalten. Dies geschieht meistens in Situationen, in denen es mir selbst nicht gut geht, ich mich nicht akzeptieren kann oder und überheblich bin, meine, besser und mehr zu sein als andere Menschen. Ich fühle mich dann nicht wirklich wohl in meiner Haut, bin lieber Mitmensch, der sich seiner Mitmenschen erfreut, offen für sie ist, Können und Leistung akzeptiert und respektiert, sich seiner eigenen Fähigkeiten und Defizite bewusst. Ein ständiges voneinander lernen, teilhaben, geben und nehmen...immer wissend, wir brauchen einander, jeder und jede macht mit seiner ihm/ihr eigenen Art die Welt lebendiger, bunter, vielfältiger, zeigt mir andere Facetten des Seins auf. Aber trotz dieser Erkenntnisse bin ich dadurch nicht sofort ein anderer Mensch geworden, denn es geht immer im Leben um das Erkennen, Bekennen, vor sich selbst in erster Linie, schön wäre es auch vor anderen und das schwierigste, das Umsetzen des er- und bekannten. Und das kann ich nur täglich, indem ich zunächst in mich selber horche, schaue wie es mir geht, mir deutlich mache, wie ich diesen meinen Tag verbringen will, entweder wie oben beschrieben, durch ausleben unangenehmer Eigenschaften, was sich nicht immer ganz verhindern lässt, wir sind nun einmal Menschen oder durch eine bewusste Entscheidung, anders mit mir und anderen umzugehen und nicht meine Launen, Unzugänglichkeiten, Beschwerden und Kümmernisse auf dem "Rücken", soll heißen, zu Lasten der anderen auszutragen, meinen Mitmenschen trotzdem nach Möglichkeit offen und herzlich zu begegnen. So sind wir jeden Tag ein wenig selbst dafür verantwortlich, in welchem Klima wir Leben, weil wir durch unser Verhalten dieses Klima mitbestimmen. Wer meine Homepage aufmerksam gelesen hat, wird wissen, dass ich ein trockener, genesener Suchtkranker bin, im kommenden Jahr jährt sich mein Ausstieg aus der Abhängigkeit zum 26 Mal! Mein Leben mit Drogen jeglicher Art war bestimmt durch negatives Verhalten, ich weiß, was böse sein heißt, ich habe viele Menschen verletzt, gefühlsmäßig und manchmal auch körperlich, mein Umgang mit mir sah nicht anders aus...und das ein ganzes Jahrzehnt lang. Das Ergebnis war am Ende meiner "Suchtkarriere" ein seelisch, geistig und körperliches Frack, jemand, der nicht mehr in der Lage war zu leben, es im wahrsten Sinne des Wortes neu lernen musste. Zu lange habe ich weder mich noch meine Umgebung bewusst wahrgenommen, ich, meine Gefühle, meine Gedanken, mein Körper, jede natürliche Empfindung war mir fremd geworden. Auch mein Verhältnis zu meinen Mitmenschen war gestört, als ich "drauf" war, unterschied ich nur in Opfer und Gegner, teilte die Menschen nur danach ein, ob sie mich bei meiner Sucht unterstützen oder mir im Weg dabei standen oder sonst eine Gefährdung für mich waren. Ich fühlte nichts für mich, ich fühlte nichts für andere. Außer Angst, fürchterliche, nicht zu beschreibende Lebensangst, die nach 10 Jahren nur "zu" sein allzu verständlich war, wusste ich doch nicht mehr, was Leben ist. Seit dieser Zeit bemühe ich mich darum, Mensch und Mitmensch zu sein, doch kommt es immer wieder vor, dass ich mein Motiv, so zu leben, wie ich lebe, vergesse. Mein Motiv ist kein zufälliges Motiv, ich lebe wie ich lebe, weil ich nicht mehr rückfällig werden will. In den letzten Jahren habe ich wenig darauf geachtet, mit dem Ergebnis, dass ich mein Motiv aus den Augen verloren habe und insofern fahrlässig mit meiner Nüchternheit und mir und ebenso anderen Menschen umgegangen bin. Durch Geschehnisse in meinem Leben in der jüngsten Vergangenheit ist mir dies sehr deutlich geworden, auf schmerzhafte Weise, aber gerade noch rechtzeitig. Ich habe erkannt, dass ich vergessen habe, dass ich frei von Drogen lebe, weil ich vor fast 26 Jahren an meiner Abhängigkeit bald verreckt wäre, sterben kann man das Siechtum nicht nennen. Das hatte zur Folge, dass ich mein Leben anfing als Bürde und Ballast zu empfinden, ich begann mich abzulehnen, wollte "normal" sein, einfach so leben wollen, wie meine Mitmenschen, ohne ständig auf meine Abhängigkeit achten zu müssen oder etwas für mich tun zu müssen. Ich fing an, mich charakterlich zu verändern, war nur noch unzufrieden, launisch, gereizt, streitsüchtig, verlor immer mehr die Lust auf mein Leben, zerstörte, was mir lieb und teuer war, wie früher...und schadete anderen Menschen, die mir nahe standen und stehen und mir. Diese Erkenntnis war sehr schmerzhaft und hat mich sehr traurig, verloren und ratlos gemacht. Doch ich habe versucht, mein Leben wieder neu zu ordnen, AA-Gruppen besucht, was mir sehr gut getan hat und ich auch, auch heute, kontinuierlich tun will und hoffentlich werde. Denn: Nur Du kannst Dich verändern, doch Du kannst es nicht allein. Ich brauche die anderen Süchtigen, als Spiegel, um mich in Ihnen zu sehen, als Halt, als Gruppe, als Freunde, um mich nicht allein mit meiner Krankheit zu fühlen. Es lässt sich gut mit der Krankheit leben, wenn ich etwas für mich tue, dass weiß ich...und das will ich...Worte zum Jahresende 2007 und Absichten für das Jahr 2008! Randolf Treutler


Die Stadt Essen verändert sich....es wird an vielen Stellen gebaut....