Ich würde ihm sagen, dass ich nach meiner Zeugung im Körper meiner Mutter aufgewachsen bin, mit allem lebensnotwendigen versorgt, im übrigen wie jedes andere Säugetier auch...Die Zeit im Körper meiner Mutter war eine Zeit, auch wenn ich es nicht bewußt weiß, absoluter Geborgenheit, absolutes sich versorgt fühlen, absolut eins sein...
Dann kam es zu meiner Geburt...unter schweren Wehen verließ ich den mich versorgenden beschützenden Körper, mit dem ich seit meiner Zeugung symbiotisch verbunden war....ich wurde wie viele Kinder im Kreissaal eines Krankenhauses zur Welt gebracht, helles, sehr helles grelles Licht empfing mich nach meiner Geburt...das muss ein Schock gewesen sein...dann wurde die Nabelschnur durchtrennt, meine Lebensschnur über Monate, meine symbiotische Verbindung gekappt...da ich nun nicht mehr über die Blutbahn meiner Mutter via Nabelschnur mit Sauerstoff versorgt wurde, bekam ich einen Klapps auf den Hintern, vermute ich, damit ich selbstständig zu atmen begann.....
Für mich sind das die Ursprünge der Angst und der Furcht....ich erlebte mich zum ersten Mal als getrennt, als eigenständiges Wesen, nicht mehr verbunden und umsorgt im Körper meiner Mutter....
Deshalb sind Geburt und Tod sich so ähnlich, ich glaube, wir empfinden beim Sterben, was wir empfanden während der Geburt, nur diesmal mehr oder minder bewußt...denn beim auf die Welt kommen erlebe ich das Unbekannte von der Mutter getrennte "Ich bin" zum ersten mal, im übrigen ist der erste Schrei für mich nicht nur ein Schrei der mich mit der eigenen Atmung beginnen lässt, sondern er ist gleichzeitig ein animalischer sehr ursprünglicher Schrei, ein Schrei nach Zuwendung, nach Geborgenheit, ein Schrei nach sich versorgt zu fühlen wissen, ein Schrei, der mitteilt, ich bin.....der ja auch zum Ergebnis hat, dass die notwendige Zuwendung und Versorgung gewährleistet wird.
So wie ein Baby nach der Geburt schreit, so schreien wir Menschen auch im Zustand höchster Verzweiflung, um unsere Umgebung in Alarmbereitschaft zu versetzen, um unsere Hilflosigkeit, Ohnmacht deutlich zu machen, wir vergessen alles, unsere Erziehung, unser Benehmen, nur der Wunsch nach weiterleben zählt, wie beim Baby.
Vor diesem von mir gerade geschilderten Hintergrund ist nun die beste Betreuung des Säuglings, des heranwachsenden Kindes die, welche behilflich ist, dieses elementare Erlebnis der Geburt gut zu verarbeiten, sich geborgen zu fühlen und genügend Zuwendung zu erhalten, dass dieses Trauma gut verarbeitet werden kann.Eine den Gegebenheiten angepasstes "Du bist WILLKOMMEN" auf dieser Welt zu ermöglichen, die Abnabelung, das eigene Atmen so einfach wie möglich zu machen ohne einzuschränken, ohne erneute Abhängigkeiten zu schaffen und so Kinder mit einem starken Selbstwertgefühl und Selbstbewußtsein aufzuziehen, die den Herausforderungen ihres Lebens gewachsen sind.
Ich bin davon überzeugt, dass viele Ängste und Traumatas aus dieser Missglückten Begleitung resultieren, entweder zu wenig und die nicht entsprechende Zuwendung zu bekommen oder zu viel Zuwendung verbunden mit der Schaffung erneuter Abhängigkeiten, die beim Heranwachsenden Angst erzeugen vor einem selbstständigen autarken Leben und die Gefahren dauerhafter Abhängigkeiten und damit verbundener Ängste begünstigen.
Erich Fromm hat unter anderem Das Buch "Die Kunst zu lieben" geschrieben, ich würde behaupten wollen, das es an der Zeit ist, längst an der Zeit, ein Buch zu schreiben mit dem Titel " Die Kunst Kinder nach der Geburt zu Erwachsenen mit gesundem Selbstwert und Selbstbewußtsein zu begleiten".
Ich habe den Eindruck, als wenn unsere Gesellschaft davon ausgehen würde, dass man für vieles in unserer Gesellschaft den Nachweis der Befähigung erbringen muss, für das Auto fahren, für die Berufsausübung um nur einige Beispiele zu nennen, aber Kindererziehung und auch die Eheschließung, die Heirat, benötigen keine Legitimation, keine Begleitung. Das halte ich für grob fahrlässig. Das wichtigste Gut unserer Gesellschaft, die Erziehung der Kinder und auch die Eheschließung. Beides erfordert die nötige Reife, das entsprechende Wissen. Denn letztlich sind die Kinder unsere Zukunft, sie sind es, in deren Händen der Fortbestand unserer Gesellschaft liegt, unseres Miteinanders, unserer sozialen Standards, unserer politischen Führung.
Also liegt in der Erziehung besser erwachsenen Begleitung von Kindern und Jugendlichen eine ungeheure Verantwortung.
Wenn wir die Fürsorge das Wohl und Wehe unserer Kinder so wichtig nehmen würden, wie wir das wirtschaftliche Wachstum wichtig nehmen, wenn wir nur einen Teil der Opferbereitschaft für das wirtschaftliche Wachstum dem Wohl und Wehe unserer Kinder und Enkel anvertrauen würden, hätten wir weniger Grund uns Sorgen zu machen.
Aber unsere westlichen modernen Gesellschaften sind noch zu fixiert auf das Wachstum der Wirtschaft und haben zu wenig Aufmerksamkeit auf das Wohl der Kinder, aber auch das Wohl der älteren Generation, auch diese wird vernachlässigt, und letztlich auch auf der Wohl der arbeitenden Menschen, dass immer weniger Beachtung findet, nur die Funktionalität im Sinne der Wirtschaft scheint wichtig, nicht das Wohl und Wehe der/des Einzelnen Arbeitnehmers....wir müssen wieder lernen, unsere Gesellschaft als Ganzes zu sehen, alles gehört zu allem, alles ist wichtig, alles verdient Aufmerksamkeit und Mühen....
Und nicht die Interessen Einzelner zu Ungunsten Vieler dürfen im Vordergrund stehen, wir brauchen eine neue Moral, eine neue Ethik im Umgang untereinander...
Es kann nicht sein, dass das Wohl ganzer Gesellschaften dem Wohl der Wirtschaft geopfert wird...Denn nicht die Menschen haben der Wirtschaft zu dienen, sondern die Wirtschaft den Menschen, sonst wird die Wirtschaft und das Finanzsystem zu einem Moloch das uns alle zum eigenen Selbstzweck auffrisst.
1 Kommentar:
Dieser Beitrag ist sehr persönlich und hat mir gut gefallen. ich habe auch Erich Fromm gelesen und denke, du hast da gut eine Einschätzung einerseits deines persönlichen Schicksals mit all deinen Schwächen abgegeben und andererseits die Schwierigkeiten in der Gesellschaft und unserer zeit angesprochen. Wir Leben in einer Zersplitterungsgesellschaft und es ist wichtig, das Ruder rumzureissen, ehe alle auf Grund laufen.
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