Mittwoch,
26.12.2007 16:08 Uhr: Standortbestimmung. "Sei nicht neidisch auf böse
Menschen.." , dieser Bibelspruch ist oben zu lesen und fast jeder von uns
wird ihm zustimmen. Doch was ist böse? Wir denken zunächst bestimmt an
Mörder, Diebe, gewalttätige Menschen, Vergewaltiger, Unterdrücker usw...Doch
wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, geht es mir in erster Linie um das
subtile, unauffällige, versteckte, alltägliche böse, kleine Gehässigkeiten,
Herzlosigkeiten, Kälte und Gleichgültigkeit im Umgang mit Anderen, Egoismus,
der keine Rücksichten nimmt, nur die eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund
stellt. Diese unangenehmen Eigenschaften entdecke ich auch in mir, ich bin
selbst nicht frei davon und ertappe mich immer wieder dabei, mich in
bestimmten Situationen herzlos, gehässig, kalt und gleichgültig zu geben und
zu verhalten. Dies geschieht meistens in Situationen, in denen es mir selbst
nicht gut geht, ich mich nicht akzeptieren kann oder und überheblich bin,
meine, besser und mehr zu sein als andere Menschen. Ich fühle mich dann
nicht wirklich wohl in meiner Haut, bin lieber Mitmensch, der sich seiner
Mitmenschen erfreut, offen für sie ist, Können und Leistung akzeptiert und
respektiert, sich seiner eigenen Fähigkeiten und Defizite bewusst. Ein
ständiges voneinander lernen, teilhaben, geben und nehmen...immer wissend,
wir brauchen einander, jeder und jede macht mit seiner ihm/ihr eigenen Art
die Welt lebendiger, bunter, vielfältiger, zeigt mir andere Facetten des
Seins auf. Aber trotz dieser Erkenntnisse bin ich dadurch nicht sofort ein
anderer Mensch geworden, denn es geht immer im Leben um das Erkennen,
Bekennen, vor sich selbst in erster Linie, schön wäre es auch vor anderen
und das schwierigste, das Umsetzen des er- und bekannten. Und das kann ich
nur täglich, indem ich zunächst in mich selber horche, schaue wie es mir
geht, mir deutlich mache, wie ich diesen meinen Tag verbringen will,
entweder wie oben beschrieben, durch ausleben unangenehmer Eigenschaften,
was sich nicht immer ganz verhindern lässt, wir sind nun einmal Menschen
oder durch eine bewusste Entscheidung, anders mit mir und anderen umzugehen
und nicht meine Launen, Unzugänglichkeiten, Beschwerden und Kümmernisse auf
dem "Rücken", soll heißen, zu Lasten der anderen auszutragen, meinen Mitmenschen trotzdem nach
Möglichkeit offen und herzlich zu begegnen. So sind wir jeden Tag ein wenig
selbst dafür verantwortlich, in welchem Klima wir Leben, weil wir durch
unser Verhalten dieses Klima mitbestimmen. Wer meine Homepage aufmerksam
gelesen hat, wird wissen, dass ich ein trockener, genesener Suchtkranker
bin, im kommenden Jahr jährt sich mein Ausstieg aus der Abhängigkeit zum 26
Mal! Mein Leben mit Drogen jeglicher Art war bestimmt durch negatives
Verhalten, ich weiß, was böse sein heißt, ich habe viele Menschen verletzt,
gefühlsmäßig und manchmal auch körperlich, mein Umgang mit mir sah nicht
anders aus...und das ein ganzes Jahrzehnt lang. Das Ergebnis war am Ende
meiner "Suchtkarriere" ein seelisch, geistig und körperliches Frack, jemand,
der nicht mehr in der Lage war zu leben, es im wahrsten Sinne des Wortes neu
lernen musste. Zu lange habe ich weder mich noch meine Umgebung bewusst
wahrgenommen, ich, meine Gefühle, meine Gedanken, mein Körper, jede
natürliche Empfindung war mir fremd geworden. Auch mein Verhältnis zu meinen
Mitmenschen war gestört, als ich "drauf" war, unterschied ich nur in Opfer
und Gegner, teilte die Menschen nur danach ein, ob sie mich bei meiner Sucht
unterstützen oder mir im Weg dabei standen oder sonst eine Gefährdung für
mich waren. Ich fühlte nichts für mich, ich fühlte nichts für andere. Außer
Angst, fürchterliche, nicht zu beschreibende Lebensangst, die nach 10 Jahren
nur "zu" sein allzu verständlich war, wusste ich doch nicht mehr, was Leben
ist. Seit dieser Zeit bemühe ich mich darum, Mensch und Mitmensch zu sein,
doch kommt es immer wieder vor, dass ich mein Motiv, so zu leben, wie ich
lebe, vergesse. Mein Motiv ist kein zufälliges Motiv, ich lebe wie ich lebe,
weil ich nicht mehr rückfällig werden will. In den letzten Jahren habe ich
wenig darauf geachtet, mit dem Ergebnis, dass ich mein Motiv aus den Augen
verloren habe und insofern fahrlässig mit meiner Nüchternheit und mir und
ebenso anderen Menschen umgegangen bin. Durch Geschehnisse in meinem Leben
in der jüngsten Vergangenheit ist mir dies sehr deutlich geworden, auf
schmerzhafte Weise, aber gerade noch rechtzeitig. Ich habe erkannt, dass ich
vergessen habe, dass ich frei von Drogen lebe, weil ich vor fast 26 Jahren
an meiner Abhängigkeit bald verreckt wäre, sterben kann man das Siechtum
nicht nennen. Das hatte zur Folge, dass ich mein Leben anfing als Bürde und
Ballast zu empfinden, ich begann mich abzulehnen, wollte "normal" sein,
einfach so leben wollen, wie meine Mitmenschen, ohne ständig auf meine
Abhängigkeit achten zu müssen oder etwas für mich tun zu müssen. Ich fing
an, mich charakterlich zu verändern, war nur noch unzufrieden, launisch,
gereizt, streitsüchtig, verlor immer mehr die Lust auf mein Leben,
zerstörte, was mir lieb und teuer war, wie früher...und schadete anderen
Menschen, die mir nahe standen und stehen und mir. Diese Erkenntnis war sehr
schmerzhaft und hat mich sehr traurig, verloren und ratlos gemacht. Doch ich
habe versucht, mein Leben wieder neu zu ordnen,
AA-Gruppen besucht, was mir sehr gut getan hat und ich auch, auch heute,
kontinuierlich tun will und hoffentlich werde. Denn: Nur Du kannst Dich
verändern, doch Du kannst es nicht allein. Ich brauche die anderen
Süchtigen, als Spiegel, um mich in Ihnen zu sehen, als Halt, als Gruppe, als
Freunde, um mich nicht allein mit meiner Krankheit zu fühlen. Es lässt sich
gut mit der Krankheit leben, wenn ich etwas für mich tue, dass weiß ich...und das
will ich...Worte zum Jahresende 2007 und Absichten für das Jahr 2008!
Randolf Treutler
Mein Blog besteht aus Fragmenten...Gedanken, Gefühlen, Erlebnissen nieder geschrieben, als Sie mich beschäftigten. Es gibt keine absolute endgültige Wahrheit, viel mehr sind wir alle miteinander auf der Reise, auf unserer Lebensreise, sammeln Eindrücke, Erkenntnisse, machen Erfahrungen, diese werden dann für uns zu unseren eigenen inneren Wahrheiten...aber es sind immer nur vorläufige Wahrheiten. Um diese meine inneren Wahrheiten soll es in diesem Blog gehen.
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