die sich mit den Greueln der NS Zeit aus Sicht eines Betroffenen befasst....
http://www.metzgerfamily.org/index.html
Unbedingt lesenswert....authentischer kann ein Blick zurück in unsere dunkelste Vergangenheit nicht sein....
Mein Blog besteht aus Fragmenten...Gedanken, Gefühlen, Erlebnissen nieder geschrieben, als Sie mich beschäftigten. Es gibt keine absolute endgültige Wahrheit, viel mehr sind wir alle miteinander auf der Reise, auf unserer Lebensreise, sammeln Eindrücke, Erkenntnisse, machen Erfahrungen, diese werden dann für uns zu unseren eigenen inneren Wahrheiten...aber es sind immer nur vorläufige Wahrheiten. Um diese meine inneren Wahrheiten soll es in diesem Blog gehen.
Freitag, 9. Dezember 2011
Zitat von Paulo Coelho...
"Ich danke allen, die meine
Träume belächelt haben. Sie haben meine Phantasie beflügelt. Ich danke allen,
die mich in ihr Schema pressen wollten. Sie haben mich den Wert der Freiheit
gelehrt. Ich danke allen, die mich belogen haben. Sie haben mir die Kraft der
Wahrheit gezeigt. Ich danke allen, die nicht an mich geglaubt haben. Sie haben
mir zugemutet, Berge zu versetzen. Ich danke allen, die mich abgeschrieben
haben. Sie haben meinen Trotz geschürt. Ich danke allen, die mich verlassen
haben. Sie haben mir Raum gegeben für Neues. Ich danke allen, die mich verraten
und missbraucht haben. Sie haben mich erwachsen werden lassen. Ich danke allen,
die mich verletzt haben. Sie haben mich gelehrt, im Schmerz zu wachsen. Ich
danke allen, die meinen Frieden gestört haben. Sie haben mich stark gemacht,
dafür einzutreten. Ich danke allen, die mich verwirrt haben. Sie haben mir
meinen Standpunkt klar gemacht. Vor allem aber danke ich all denen, die mich
lieben, so wie ich bin. Sie geben mir die Kraft zum Leben! Danke." (PauloCoelho)
PS: Was ist dem noch hinzufügen? Ich finde nichts! Randolf Treutler
Schöne Weihnachtsgeschichte - "Hilfe die Herdmanns kommen."
Hilfe, die Herdmanns kommen
Die Herdmann-Kinder waren die schlimmsten Kinder aller
Zeiten. Sie logen und klauten, rauchten Zigarren
( sogar die Mädchen ) und
erzählten schmutzige Witze...
Ralf, Eugenia, Leopold, Klaus, Olli und Hedwig – sechs magere, dünnhaarige
Kinder, die sich nur dadurch voneinander unterschieden, daß sie verschieden
groß waren und an verschiedenen Stellen blaue Flecken aufwiesen, die sie sich
gegenseitig beigebracht hatten.
Sie wohnten über einer Garage im Westend. Die Garage wurde nicht
mehr benutzt, nur die Herdmanns benutzten sie dazu, die Tür, so schnell sie
konnten, auf- und zuzudonnern, wobei sie versuchten, sich gegenseitig
einzuquetschen. Das war das, was sie unter Spielen verstanden. Wo andere Leute
Rasen in ihrem Vorgarten hatten, lagen bei den Herdmanns Felsbrocken und wo
andere Leute Hortensienbüsche pflanzten, züchteten die Herdmanns Tollkirschen.
Es gab auch ein Schild im Hof mit der Aufschrift : „Vorsicht,
bissige Katze!“
Kinder, die neu in der Gegend waren, lachten nur so lange über das
Schild, bis sie die Katze zu Gesicht bekamen. Ich habe noch nie ein Tier
gesehen, das so bösartig aussah. Die Katze hatte ein kurzes Bein, einen
gebrochenen Schwanz und nur ein Auge. Sie war der Grund, warum der Briefträger
sich weigerte, den Herdmanns Post zu bringen...
Anfang Dezember wurde, wie jedes Jahr, mit den Kindern der
Sonntagsschule ( Kindergottesdienst in den USA ) das Krippenspiel für den
Weihnachtsgottesdienst vorbereitet. Zum ersten Mal waren die Herdmanns dabei,
weil der kleine Charlie ihnen erzählt hatte, da gäbe es Süßigkeiten umsonst.
Charlies Mutter war die Leiterin, sie übte das Spiel mit den Kindern ein. Und
Charlies große Schwester erzählt, was dabei alles passierte :
Zuerst wurden die Rollen verteilt. Zum Entsetzen aller
meldete sich Eugenia Herdmann als Maria – und niemand wagte zu widersprechen,
denn für diesen Fall hatte Eugenia heimlich, aber unmißverständlich
schreckliche Strafen angedroht.
„Ich will die Maria sein“, sagte Eugenia, und dann schaute sie
über ihre Schulter nach hinten.
„Und Ralf möchte der Joseph sein.“
„Jawoll“, sagte Ralf.
Mutter starrte sie nur an. Es war wie in einem Kriminalfilm, wo
die nette, kleine, alte, grauhaarige Dame einen doppelläufigen Revolver aus dem
Handtäschchen zieht, zum Bankbeamten sagt : „Rück den Zaster raus, aber dalli!“
und man dasitzt und es einfach nicht glauben kann. Mutter konnte das hier nicht
glauben....
Auch für die Weisen aus dem Morgenland meldete sich niemand außer
Olli, Klaus und Leopold Herdmann.
Da stand also meine Mutter und hatte ein Krippenspiel am Hals mit
lauter Herdmanns in den Hauptrollen.
Eine Herdmann und eine Hauptrolle waren noch übriggeblieben, und
es bedurfte keiner besonderen Klugheit, sich auszurechnen, das Hedwig den
Verkündigungsengel spielen würde...
Normalerweise machte die erste Probe nicht mehr und nicht weniger
Spaß als eine dreistündige Fahrt im Schulbus und war mit ebensoviel Lärm und
Gedränge verbunden. Diese Probe lief anders. Alle waren ruhig und setzten sich
gleich hin, weil sie Angst hatten, es könnte ihnen sonst vielleicht entgehen,
was die Herdmanns Schreckliches anstellen würden.
Sie kamen zehn Minuten zu spät und schlenderten in den Raum wie
eine Bande Geächteter, die vorhat, einen Saloon leerzuschießen. Als Leopold an
Charlie vorbeikam, drehte er ihm das Ohr um, und eine Erstkläßlerin schrie auf,
als Hedwig an ihr vorbeiging. Aber Mutter hatte gesagt, sie werde alles
durchgehen lassen, solange kein Blut floß. Und da weder die Erstkläßlerin noch
Charlie bluteten, geschah nichts.
Mutter sagte : „Hier kommt Familie Herdmann. Wir freuen uns, euch
alle hier zu sehen.“ ( Das war sicher die dickste Lüge, die je in einer Kirche
laut ausgesprochen wurde. )
Eugenia lächelte – das Herdmänner-Lächeln wie wir es nannten,
dreckig und gemein – und dann saßen sie da, fast Kriminelle in unseren Augen,
und sie sollten nun das Edelste und Schönste darstellen, das es gab. Kein
Wunder, daß alle aufgeregt waren.
Mutter fing an, die Kinder in Hirten und Engel und Herbergsgäste
einzuteilen, und schon gab es die ersten Schwierigkeiten.
„Wer waren denn die Hirten?“ wollte Leopold Herdmann wissen. „Wo
kamen die her?“
Olli Herdmann wußte nicht einmal, was Hirten sind.
„Was ist eigentlich eine Herberge?“ fragte Klaus.
„So was Ähnliches wie ein Hotel“, erklärte ihm jemand. „Wo Leute
übernachten können.“
„Was für Leute?“ fragte Klaus. „Jesus?“
„Nicht zu fassen!“ murmelte Alice Wendlaken...
Die Sache war eben die, daß die Herdmanns nicht das Geringste von
der Weihnachtsgeschichte wußten....
Und Mutter sagte, es sei wohl das Beste, zuerst einmal die
Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vorzulesen. Das waren langweilige
Aussichten, denn die meisten von uns kannten die ganze Geschichte vorwärts und
rückwärts. Sonst wurde uns immer nur gesagt, wer wir waren und wo wir zu stehen
hatten.“...da machte sich auch Joseph auf, daß er sich schätzen ließe, mit
Maria, seinem vertrauten Weibe, die gesegneten Leibes war...“
„Schwanger!!!“ rief Ralf Herdmann.
Das verursachte ziemliche Unruhe. Die größeren Kinder begannen zu
kichern, und die Kleineren wollten wissen. Was denn so komisch war. Mutter
mußte mit dem Zeigestock auf den Boden klopfen. „Genug, Ralf!“ sagte sie und
las weiter vor...
„Was ist das?“ fragten die Herdmanns immer, wenn sie einen
Ausdruck nicht verstanden, Als Mutter vorlas, daß kein Platz in der Herberge
war, fiel Eugenia die Kinnlade herunter, und sie sprang auf.
„Verdammt!“ sagte sie. „Nicht mal für Jesus?“... „Naja, also...“
erklärte Mutter. „Niemand wußte, daß das Baby Jesus sein würde.“
„Sie haben gesagt, Maria wußte es“, sagte Ralf. “Warum hat sie es
denen nicht gesagt?“
„Ich hätt’s ihnen gesagt“, rief Eugenia dazwischen. „Mann, denen
hätt ich’s vielleicht gesagt! Was war denn mit Joseph los, warum hat der’s
nicht gesagt? Daß sie schwanger war und das alles.“
„Wie hieß es, wo sie das Baby reingelegt haben?“ fragte Leopold.
„Diese Krippe..., ist das so ‚ne Art Bett? Warum hatten die denn ein Bett im
Stall?“
„Das ist es ja gerade“, sagte Mutter. „Sie hatten eben kein Bett
im Stall. Also mußten Maria und Joseph das nehmen, was sie dort vorfanden. Was
würdest du denn tun, wenn du ein kleines Baby hättest und kein Bett, um es
hineinzulegen?“
„Wir haben Hedwig in eine Schreibtischschublade gelegt“, erklärte
Eugenia.
„Siehst du“, sagte Mutter und zuckte ein bißchen zusammen. „Ihr
habt kein Bett für Hedwig gehabt und habt deswegen auch etwas anderes nehmen
müssen.“
„Och, wir hatten schon eins“, sagte Ralf. „Aber Olli war noch drin
und wollte nicht raus. Er mochte Hedwig nicht.“ Er puffte Olli in die Seite.
„Erinnerst du dich, daß du Hedwig nicht leiden konntest?“...
„Wie dem auch sei“, sagte Mutter, „Maria und Joseph nahmen die
Krippe. Eine Krippe ist ein hölzerner Futtertrog für Tiere.“
„Was waren denn die Bindeln?“ wollte Klaus wissen.
„Die was?“ fragte Mutter.
„Sie haben es doch vorgelesen : Sie wickelten ihn in Bindeln.“
„Windeln“, seufzte Mutter. „Früher hat man die Babys fest in große
Tücher eingewickelt, so daß sie nicht herumstrampeln konnten. Die Babys fühlten
sich dabei behaglich und geborgen.“
Ich meinte, daß es die Babys eher verrückt gemacht hat. Bis dahin
hatte ich auch nicht gewußt, was Windeln sind. Deshalb war ich gar nicht
besonders überrascht, daß Eugenia sich darüber aufregte.
„Sie meinen, sie banden es zusammen und steckten es in eine
Futterkiste?“ sagte sie. „Wo blieb denn da die Jugendfürsorge?“
Die Jugendfürsorge kümmerte sich immer um die Herdmanns. Ich
wette, wenn die von der Jugendfürsorge jemals Hedwig zusammengebunden in einer
Schreibtischschublade gefunden hätten, so hätten sie bestimmt etwas dagegen unternommen!
„Und siehe, des Herrn Engel trat zu ihnen“, fuhr Mutter fort,“ und
die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, und...“
„BATMAN!!!!!“ schrie
Hedwig, warf die Arme auseinander und ohrfeigte dabei das Kind neben ihr.
„Wie bitte?“ fragte Mutter. Mutter las nie Comic-Hefte.
„Aus dem Dunkel der Nacht erschien Batman, der Rächer der
Entrechteten...“
„Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Hedwig“, sagte Mutter. „Das
ist der Engel des Herrn, der zu den Hirten auf dem Feld kommt.“
„Aus dem Nichts?“ fragte Hedwig. „Aus dem geheimnisvollen Dunkel
der Nacht, ja?“
„Naja,“ Mutter sah etwas unglücklich aus. „Gewissermaßen.“
Hedwig setzte sich wieder hin und sah sehr zufrieden aus. So, als
ob das endlich ein Teil der Weihnachtsgeschichte wäre, den sie verstand.
„Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande“, las Mutter
weiter, „kamen die Weisen vom Morgenlande gen Jerusalem und sprachen....“
„Das bist du, Leopold“, sagte Ralf. „Und Klaus und Olli. Paßt
gefälligst auf!“
„Was bedeutet Weisen?“ wollte Olli wissen. „Waren sie so etwas wie
Lehrer?“
„Nein, du Quatschkopf“, sagte Klaus. „Das ist so was Ähnliches wie
der Präsident der Vereinigten Staaten.“
Mutter sah ihn überrascht und beinahe glücklich an, so wie sie
geschaut hatte, als Charlie endlich das Einmaleins mit fünf auswendig konnte.
„Du bist schon ganz nahe dran, Klaus“, sagte sie. „Tatsächlich
waren es Könige.“
„Jetzt aber weiter“, meuterte Eugenia. „Wahrscheinlich werden die
Könige dem Wirt gründlich die Meinung sagen und das Kind aus dem Trog holen.“
„Sie fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter und fielen
nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold,
Weihrauch und Myrrhe.“
„Was ist das für ein Zeug?“ wollte Leopold wissen.
„Kostbare Öle“, sagte Mutter, „und wohlriechende Harze.“
„Öl!“ schrie Eugenia. „Was für ein schäbiger König bringt denn Öl
als Geschenk mit! Da kriegt man ja bei der Feuerwehr bessere Geschenke...“
Ich konnte die Herdmanns nicht verstehen. Man hätte denken können,
die Weihnachtsgeschichte käme direkt aus den Polizeiakten des FBI. Sie
wünschten dem Herodes ein blutiges Ende, sorgten sich um Maria, die ihr Kind in
einen Futtertrog legen mußte, und nannten die Heiligen Drei Könige eine Bande
schmutziger Spione.
Und als sie die erste Probe verließen, diskutierten sie darüber,
ob Joseph die Herberge hätte anzünden oder ob er nur den Gastwirt über die
Grenze hätte jagen sollen...
Da keiner der Herdmanns jemals zur Kirche oder zur Sonntagsschule
gegangen war und keiner die Bibel oder etwas Ähnliches gelesen hatte, hatten
sie natürlich keine Ahnung, was man von ihnen erwartete. Eugenia, zum Beispiel,
wußte nicht, daß die Maria immer in einer bestimmten Weise dargestellt wurde :
ruhug und mild und nicht ganz von dieser Welt. In der Art, wie Eugenia sie
spielte, hatte Maria eher Ähnlichkeit mit Signora Santoro von der Pizza-Stube.
Signora Santoro ist eine große, dicke Frau mit einem kleinen, mageren Mann und
neun Kindern. Sie schreit laut und temperamentvoll, umarmt ihre Kinder und
schleppt sie mit sich herum. So ungefähr war Eugenias Maria – laut und
herrisch.
„Geh von dem Baby weg!“ schrie sie Ralf an, der den Joseph
spielte. Und sie ließ die Heiligen Drei Könige nicht zu nahe herankommen.
„Die Heiligen Drei Könige wollen dem Christkind huldigen“,
erklärte Mutter zum zehntenmal. „Sie wollen ihm nichts tun, Gott behüte!“ Aber
die Könige wußten auch nicht, was sie eigentlich tun sollten, und keiner nahm
es Eugenia übel, daß sie sie wegschubste. Bei diesen drei Königen hatte man das
Gefühl, daß sie auf schnellstem Weg zu Herodes zurückkehren würden, um das Baby
zu verraten, aus lauter Bosheit...
Vier Wochen dauerten die Proben. Dann kam der Heilige Abend mit
dem Krippenspiel in der vollbesetzten Kirche.
...Wir sangen als Engelchor zwei Verse von „Zu Bethlehem im
Stalle“, und dann sollten wir das Lied noch ein bißchen weitersummen, während
Maria und Joseph durch die Seitentür hereinkamen. Nur, sie kamen nicht. Also
summten wir und summten und summten, was sehr langweilig und schwierig ist, und
nach kurzer Zeit klang es nicht mehr wie ein Lied, sondern eher wie ein alter
Kühlschrank.
„Ich wußte ja, daß etwas passieren würde“, flüsterte mir Alice
Wendlaken zu. „Sie kommen überhaupt nicht. Wir werden weder Maria noch Joseph
haben. Was sollen wir denn jetzt tun?“
Ich schätze, wir hätten weitergesummt, bis wir schwarz geworden
wären, aber es kam nicht so weit. Ralf und Eugenia traten auf, sie waren nur
erst nicht durch die Tür gekommen, weil sie sich gegenseitig aus dem Weg
schubsten. Eine Minute lang standen sie einfach da, als ob sie nicht sicher
seien, daß sie am richtigen Ort waren. Das lag vielleicht an den vielen Kerzen
und den vielen Menschen in der Kirche. Sie sahen aus wie die Leute, die man
manchmal in der Tagesschau sieht : Flüchtlinge, die irgendwo an einem fremden,
kalten Ort herumstehen, umgeben von Pappkartons und Säcken. Plötzlich wurde mir
klar, daß es der echten Heiligen Familie genauso ergangen sein muß,
einquartiert in einem Stall, von Leuten, denen es egal war, was mit ihnen
geschah. Sie konnten gar nicht gepflegt und sauber ausgesehen haben. Sicher
hatten sie eher so ausgesehen wie diese Maria und dieser Joseph. ( Eugenias
Schleier hing schief wie gewöhnlich und Ralfs Haare standen nach allen Seiten
ab. ) Eugenia hatte die Babypuppe bei sich, aber sie wiegte sie nicht in den
Armen, wie man es gewohnt war. Sie hatte sie über die Schulter gelegt, und
bevor sie sie in die Krippe legte, klopfte sie ihr zweimal auf den Rücken.
Ich hörte Alice tief Luft holen. Sie puffte mich und flüsterte :
„Ich finde es nicht sehr schön, den kleinen Jesus so zu klopfen, als ob er
Bauchweh hätte.“ Sie knuffte mich noch einmal. “Kannst du dir vorstellen, daß
er Bauchweh hatte?“
Ich sagte : „Warum denn nicht?“ Und ich konnte es mir wirklich
vorstellen. Er konnte Bauchweh haben oder unruhig sein oder hungrig, genau wie
jedes andere Baby auch. Das war es ja gerade, daß Jesus nicht auf einer Wolke
heruntergekommen war wie eine Märchenfigur, sondern daß er richtig geboren
wurde und als Mensch lebte.
Mittlerweile mußten wir singen „Kommet, ihr Hirten“. Wir sangen
sehr laut, weil es mehr Hirten gab als irgendetwas anderes und sie so viel Lärm
machten mit ihren Hirtenstäben, mit denen sie herumfuhrwerkten wie mit
Hockeyschlägern. Als nächstes kam Hedwig hinter dem Engelchor hervor. Sie
schubste die anderen aus dem Weg oder trat ihnen auf die Füße. Da Hedwig die
Einzige war, die in dem Krippenspiel etwas zu sagen hatte, nutzte sie das auch
aus.
„He, euch ist ein Kind geboren!“ schrie sie, und es klang wirklich
wie die beste Botschaft der Welt. Alle Hirten zitterten und fürchteten sich –
vor Hedwig natürlich, aber jedenfalls wirkte es gut.
Dann kamen drei Lieder über Engel. Es dauerte sehr lange, bis die
Engel auftraten, weil sie von den Erstkläßlern gespielt wurden, die aufgeregt
waren, weinten, vergessen hatten, wo sie hingehen sollten, mit ihren Flügeln in
der Tür hängenblieben und all solche Sachen.
Danach hatten wir ein bißchen Ruhe, während die Jungen sangen „Wir
sind die Drei Könige...“ und die Zuschauer sich umdrehten, um den Auftritt der
Heiligen Drei Könige durch den Mittelgang nicht zu verpassen.
„Was haben die denn da?“ flüsterte Alice.
Ich wußte es nicht. Aber was es auch war, es war jedenfalls
schwer. Leopold ließ es fast fallen. Dafür hatte er das Gefäß mit Weihrauch
nicht dabei, und Klaus und Olli hatten gar nichts in der Hand, obwohl sie Gold
und Myrrhe mitbringen sollten. „Ich wußte ja, daß sowas passieren würde“ sagte
Alice wieder. „Ich wette, es ist was ganz Schlimmes!“
„Was denn zum Beispiel?“
„Zum Beispiel ein Brandopfer. Du kennst doch die Herdmanns!“
Gut, sie zündeten manchmal Sachen an. Aber das hier war nichts zum
Anzünden, es war ein Schinken. Ich wußte sofort, wo er herkam. Mein Vater war
im Kirchenwohltätigkeitsverein, und der verschenkte zu Weihnachten Essenskörbe.
Und dieser Schinken hier stammte aus dem Herdmannschen Korb, es war sogar noch
das Band daran mit der Aufschrift „Frohe Weihnachten...“
Während wir sangen “Gold und Weihrauch bringen wir“ sollten sich
die Heiligen Drei Könige miteinander unterhalten und dann jeder zu einer
anderen Tür hinausgehen, damit klar würde, daß jeder einen anderen Weg nach
Hause nahm. Aber die Herdmanns hatten das entweder vergessen oder sie wollten
nicht, jedenfalls unterhielten sie sich nicht und gingen auch nicht. Sie saßen
einfach da, und niemand konnte etwas dagegen unternehmen.
„Sie verderben alles“, flüsterte Alice.
Aber sie taten es ganz und gar nicht. Es war wirklich viel
sinnvoller, daß sich die Heiligen Drei Könige hinsetzten und ausruhten. Das
sagte ich ihr. „Sie haben einen weiten Weg hinter sich. Man kann nicht von
ihnen erwarten, daß sie ankommen, den Schinken abliefern und wieder
verschwinden."
Ich fand, daß die Herdmanns nichts verdarben, sondern im Gegenteil
das Krippenspiel um vieles verbessert hatten, indem sie einfach das taten, was
ihnen logisch erschien. Zum Beispiel, daß sie das Baby auf den Rücken klopften
und einen Schinken für ein besseres Geschenk hielten als eine ganze Menge
parfümierter Öle.
Gewöhnlich hatte ich, bis wir zu „Stille Nacht, Heilige Nacht“
kamen ( das war immer das letzte Lied ),
so genug von der ganzen Sache, daß ich das Ende kaum abwarten konnte.
Aber diesmal war es anders. Ich wünschte fast, das Krippenspiel ginge weiter,
nur um zu sehen, was die Herdmanns noch alles machen würden.
Vielleicht würden die Heiligen Drei Könige Maria von der
Geschichte mit Herodes erzählen, und sie würde ihnen raten, daß sie zurückgehen
und ihm das Blaue vom Himmel herunterlügen sollten. Oder Joseph würde mit ihnen
zurückgehen und ein für allemal Schluß mit Herodes machen. Oder Joseph und
Maria würden den Drei Königen das Christkind mitgeben, weil sie dachten, daß
niemand auf die Idee käme, es bei ihnen zu suchen.
Ich war so damit beschäftigt, mir immer neue Möglichkeiten
auszudenken, wie man das Baby Jesus retten konnte, daß ich den Anfang von
„Stille Nacht, Heilige Nacht“ verpaßte. Aber es war weiter nicht schlimm, weil
alle mitsangen, auch die Zuschauer. Wir sangen alle Strophen, und als wir zur
Stelle kamen „Gottes Sohn, oh, wie lacht...“, schaute ich zufällig zu Eugenia
hinüber. Fast hätte ich mein Gesangbuch auf einen kleinen Engel fallen lassen.
Jeder hatte die ganze Zeit darauf gewartet, daß die Herdmanns
etwas absolut Unerwartetes tun würden. Und nun war es geschehen : Eugenia
Herdmann weinte!
Im Kerzenlicht glänzte ihr ganzes Gesicht vor Tränen, und sie
machte nicht einmal den Versuch, sie wegzuwischen. Sie saß nur da – die
schlimme, schreckliche Eugenia – und weinte und weinte und weinte.
Es war wirklich das beste Krippenspiel, das jemals bei uns
aufgeführt wurde. Das sagte hinterher jeder, aber niemand schien zu wissen,
warum es so war. Nach dem Spiel standen die Leute auf dem Vorplatz der Kirche
und unterhielten sich darüber, was dieses Jahr anders gewesen sei. Jeder sagte,
es sei etwas Besonderes dabei gewesen, aber keiner konnte es beschreiben...
Was aber mich betrifft, so wird Maria immer etwas von Eugenia
Herdmann haben, ein bißchen unruhig und verwirrt, aber bereit, jeden zu
verprügeln, der ihrem Baby zu nahe treten will. Und die Heiligen Drei Könige
werden für mich Leopold und seine Brüder sein, mit einem Schinken in der Hand.
Als wir an diesem Abend aus der Kirche kamen, war es kalt und
klar. Der Schnee knirschte unter unseren Füßen, und die Sterne leuchteten hell,
sehr hell. Und ich dachte an den Verkündigungsengel, an Hedwig mit ihren dünnen
Beinen und ihren schmutzigen Stiefeln, die unter ihrem Kostüm hervorschauten,
an Hedwig, die uns allen zurief : „He, euch ist ein Kind geboren!“
Mittwoch, 7. Dezember 2011
Dienstag, 6. Dezember 2011
Videoinstallation von Fiete Treutler
Videoinstallation von Fiete Treutler
Mir gefällts. Man muss nur kreativ sein und seiner Intuition folgen.
Mir gefällts. Man muss nur kreativ sein und seiner Intuition folgen.
Hermann Hesse: Was ist das Wichtigste im Leben?
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